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Podiumsdiskussion: Von Bürokratieabbau bis Mutterschutz

13.02.2025

Bundestagskandidaten stehen Landwirtschaft, Waldbauern und Jägern Rede und Antwort

Erfrischend konkret haben sich die vier Bundestagskandidaten der demokratischen Parteien im Kreis Warendorf am Dienstag bei einer Podiumsdiskussion den Fragen von Landwirtschaft, Waldbauern und Kreisjägerschaft gestellt. Auf Einladung des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, des Kreislandfrauenverbandes, der Katholischen Landjugendbewegung, der Waldbauern NRW sowie der Kreisjägerschaft Warendorf gaben Henning Rehbaum (CDU), Dennis Kocker (SPD), Anja Beiers (Bündnis 90/Die Grünen) und Markus Diekhoff (FDP) innerhalb vorgegebener Zeitfenster kurz & bündig Auskunft zu Fragen rund um Landwirtschaft und ländlichen Raum.

Mit Blick auf EU-Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau startete Kreisvorsitzender Andreas Westermann mit zwei der drängendsten Fragen die Diskussionsrunde. Für den CDU-Kandidaten Rehbaum klare Sache: „Weg mit den Goldstandards und zurück zum EU-Normalmaß und ebenso weg mit Doppeldokumentation und Stoffstrombilanz!“ Auch FDP-Kandidat Diekhoff sprach sich klar gegen eine deutsche Verschärfung der EU-Standards aus. Die Entbürokratisierung forderte auch Grünen-Kandidatin Beiers, die darüber hinaus mehr Wertschöpfungsketten schaffen und fördern will. Dennis Kocker (SPD) fordert neben dem Bürokratieabbau auch eine Reform der Agrardieselförderung.

Die Rufe nach verschärftem Waffenrecht kritisierte Josef Roxel als Vorsitzender der Kreisjägerschaft Warendorf und warnte vor einem „Bürokratiemonster“, weil bereits heute mehrere Behörden mit Jagd- und Waffenrecht befasst seien. Grünen-Politikerin Anja Beiers hält ein psychologisches Gutachten als Voraussetzung für die Erteilung des Jagdscheins für sinnvoll. Markus Diekhoff zweifelte indes an der Durchführbarkeit einer solchen Forderung: „Wir haben ja nicht einmal genügend Psychologen für unsere kranken Kinder“. Es sei nicht notwendig, 100.000 unbescholtene Jäger in NRW ohne Not zu kontrollieren. Anderer Auffassung war Dennis Kocker: Als Strafverteidiger habe er in seiner Kanzlei häufiger mit Delikten zu tun, bei denen Messer die Tatwaffe seien. Daher fordere er durchaus eine Verschärfung des Waffenrechtes, von denen er die Jäger ausdrücklich ausnehmen wolle. Waffenverbotszonen hält er für zielführend, aber keine verpflichtenden psychologischen Gutachten für alle, sondern: Gesundheitsabfragen für alle und anlassbezogene psychologische Gutachten ähnlich der MPU für Autofahrer. Nach Ansicht von Henning Rehbaum gebe es keine Notwendigkeit, das Waffenrecht für legale Waffenbesitzer wie Jäger, Sportschützen oder Angler zu verschärfen. „Die Waffen sind nicht das Problem“, ist der CDU-Politiker überzeugt, „sondern diejenigen Menschen, die ohne Zulassung Waffen besitzen und damit kriminell umgehen.“ Waffenverbotszonen habe es bei den jüngsten Anschlägen bereits gegeben, aber die Anschläge nicht verhindern können.

Für mehr Wertschätzung und eine Entlohnung der Arbeit unserer Waldbauer warb Nikolaus Graf von Westerholt. Schließlich leisteten Waldbauern mit Pflege und Wiederaufbau des heimischen Waldbestandes und durch die zur Verfügungstellung des Waldes als Freizeitraum für Bürger einen großen gesellschaftlichen Beitrag.

Tatsächlich werde „die Arbeit der Waldwirtschaft unterschätzt“, so Markus Diekhoff und betonte: „Wir müssen die Arbeit für unsere Ökosysteme vergüten. Das würde die Arbeit zudem attraktiver machen.“ Auch nach Ansicht der SPD sollte mehr Geld für Waldbewirtschaftung zur Verfügung gestellt werden, während Anja Beiers (Grüne) die Einführung eines CO2-Entnahme-Zertifikates in Erwägung zieht und Klimafonds in den Blick nimmt. Für Henning Rehbaum steht fest: „Wald ist Wirtschaftswald und ein Wirtschaftsfaktor. Die Leistungen der Waldhege können gar nicht hoch genug geschätzt werden! Waldbewirtschafter sind in Sachen Nachhaltigkeit die absoluten Experten.“ Auf Kalamitätsflächen Bäume anzupflanzen und später als Bauholz zu nutzen sei doch „der beste Beitrag zum Umweltschutz.“

Als Vorsitzende der Kreislandfrauen wandte sich Vanessa Wulff-Haggeney an die Kandidaten und hakte zu unterschiedlichen sozialrechtlichen Aspekten im ländlichen Raum nach. So gäbe es etwa für Frauen, die den elterlichen Betrieb übernehmen wollten, keinen Anspruch auf den gesetzlich verankerten Mutterschutz. „Das ist ein großes Problem im Mittelstand, wenn Ehepaare gemeinsam Unternehmen leiten. Wir haben seitens CDU/CSU einen Antrag für gestaffelten Mutterschutz bei Fehlgeburten eingebracht. Dieser Mutterschutz soll ausgeweitet werden auf Selbständige. Die CDU will damit auch die Selbständigkeit wieder attraktiver machen“, so Rehbaum. Für Bündnis 90/Die Grünen plädierte auch Anja Beiers für die Ausweitung des Mutterschutzes auf selbständige Frauen und die Zahlung von Mutterschaftsgeld. Die SPD wolle die derzeitigen Regelungen für die stundenweise Inanspruchnahme von Haushaltshilfen gerade für den Bedarf im ländlichen Raum anpassen und auch Markus Diekhoff ist überzeugt, dass beim Mutterschutz „noch etwas hinterherkommen“ müsse.

Gelungene Podiumsdiskussion mit den Kandidaten der demokratischen Parteien im Kreis Warendorf (v.li.): Claudia Böckenhüser (Kreisjägerschaft), Christian Strake (KLJB), Johannes Bühlmeyer (WLV), Vanessa Wulff-Haggeney (Vors. Kreislandfrauen), Josef Roxel (Vors. Kreisjägerschaft), Dennis Kocker (SPD), Anja Beiers (Bündnis 90/Die Grünen), Markus Diekhoff (FDP), Henning Rehbaum (CDU), Andreas Westermann (Kreisvors. Landwirte), Dr. Matthias Quas (Geschäftsführer WLV-Kreisverband), Nikolaus Graf von Westerholt Vors. Waldbauern) und Paul Verenkotte (WLV).


Dass ohne die Jugend oder ein funktionierendes Ehrenamt sowie ein lebendiges Vereinsleben in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum Vieles fehle und der Erhalt von Traditionen gefährdet sei, daran ließ Christian Strake von der Katholischen Landjugend keinen Zweifel. Er wollte von den Politikern wissen, wie sie diese Bereiche künftig unterstützen und das Ehrenamt stärken wollen. Anja Beiers bestätigte ihm, dass Brauchtum wichtig sei und man am runden Tisch gemeinsam sicher die besten Lösungen finden werde. Gegen die enormen bürokratischen Hürden, die heute etwa für Genehmigungen von Scheunenfesten zu überwinden seien, schlug Henning Rehbaum vor, den Datenschutz etwas zu lockern sowie wiederkehrende Veranstaltungen mit wiederkehrenden Bedarfen einmalig zu genehmigen und in Folgejahren unbürokratisch durchzuwinken. Dieser Idee schloss sich auch die FDP an und auch die SPD zeigte sich durchaus veränderungswillig: „Wir müssen die Gesetze und Verordnungen umdrehen – von Verhinderungsgesetzen zu Ermöglichungsgesetzen“.

Nach etlichen weiteren Fragerunden schloss Kreisverbandsvorsitzender Andreas Westermann die interessante Podiumsdiskussion und schlug mit Blick auf die Erfahrungen während der Ampelkoalition vor, die Versprechen von diesem Abend gerne direkt im ersten Regierungsjahr umzusetzen. Applaus.

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